Ästhetik + Theologie
Die Lutherkirche ist mehr als ein Betonkubus
1967Die Ästhetik der Lutherkirche Wolfgang erschließt sich vielleicht erst auf den zweiten Blick. Doch die Architektur von 1967 ist ein Vermächtnis. Sie wurde geschaffen von dem Frankfurter Architekten Werner W. Neumann (1916-2003), dessen Name für eine ganze Reihe hessischer Kirchbauten aus der Mitte des 20. Jahrhunderts steht.
Kunst
Albrecht Glenz (1907-1990) schuf damals die künstlerische Ausgestaltung des Altarraumes mit Kreuz, Kanzel, Leuchtern und Taufbecken. Er wandte hierbei den - im Kirchenbau seltenen - Aluminiumguss an. Heute beherbert die Lutherkirche Wlfgang eine Reihe weiterer Kunstwerke von Albrecht Glenz.
Klarheit
Viele schätzen an der Lutherkirche Wolfgang zu Recht ihre KLARE FORM. Der Raum hilft durch seine konsequente Linienführung zur Konzentration. Die Ästhetik der Kirche mit ihren großen schlichten Flächen aus Backstein und Holz, Glas und Beton spiegelt - in der Formensprache ihrer Bauzeit - die THEOLOGISCHE KLARHEIT der Reformation wider. Denn Martin Luther hat vor 500 Jahren das theologische Denken erneuert, indem er sich auf wenige Grundeinsichten konzentrierte.
1517
Die Reformation begann mit vier einfachen Einsichten. In ihrer lateinischen Fassung wurden sie berühmt. Auf sie beruft sich die evangelische Kirche bis heute:
Sola scriptura - allein die Bibel ... nicht die theologische Tradition ist Maßstab des christlichen Glaubens.
Sola gratia - allein die Gnade ... nicht die Strenge Gottes begründen die Erlösung von Schuld.
Sola fide - allein der Glaube ... keine persönlichen Verdienste rechtfertigen den Menschen vor Gott.
Solus Christus - allein Christus ... keine Kirche vermittelt die Liebe Gottes.
Reduktion und Weite
Was die Reformation in diesen vier Grundsätzen fand, bestimmt bis heute Glauben und Praxis der evangelischen Kirche. Ihre kraftvolle Schlichtheit spiegelt sich - im übertragenen Sinne - in der schlichten Ästhetik der Lutherkirche Wolfgang wieder. Sie reduziert den Raum auf wenige klare Grundlinien. Die vier Ecken des Betonkubus weisen genau in die vier Himmelsrichtungen. Der Raum lädt - wie Luthers reformatorische Entdeckung - dazu ein, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Die bauliche Reduktion entspricht der theologischen. Zugleich lädt der Raum durch seine Höhe - acht Meter sind es vom schwarzen Schieferboden bis zur hellen Holzdecke - zu weitem Denken ein. Die Ästhetik der Lutherkirche Wolfgang spielt mit der Einfachheit.
2017
Die Lutherkirche Wolfgang wurde 2016 bis 2017 - 50 Jahre nach der Grundsteinlegung von 1967 und 500 Jahre nach der Reformation - von Grund auf saniert. Angesparte Eigenmittel der Kirchengemeinde Wolfgang, erhebliche Zuschüsse aus Landeskirche und Kirchenkreis Hanau, sowie private Spenden ermöglichten dies. Ziel war es, das architektonische Erbe technisch, energetisch und ästhetisch in die Gegenwart zu überführen.
Barrierefreiheit und Licht
Die Modernisierung und behutsame Umgestaltung ging mit der Schaffung von Barrierefreiheit einher. Das neben der Kirche stehende Gemeindehaus wurde zugleich abgerissen und ein neuer Gemeinderaum in die Kirche integriert. Wir sind dankbar, inmitten des sich verändernden Stadtteils Wolfgang einen ansprechenden Kirchenbau als Begegnungsstätte zu haben. Wer immer die Lutherkirche Wolfgang nun betritt, erlebt in ihrem Inneren einen lichdurchfluteten Raum, der viel mehr ist als ein Betonkubus. Details zum Sanierungskonzept der Architektin Mareike Noll-Patzel von 2016 siehe hier.